Kapitel 13

In den nächsten drei Tagen unternehmen wir eine Menge in der Umgebung. Auch wenn ich schon einiges gesehen habe, macht es mit den beiden viel mehr Spaß. Ich fühle mich so wohl wie schon seit Jahren nicht mehr. Als wir gerade auf einer Plantage sind und Sarah sich dem Streichelgehege widmet, spreche ich Christopher noch einmal auf unsere verzwickte Situation an.
„Christopher, ich muss mal mit Dir reden.“
Seine Augen, in denen ich im Minutentakt versinken könnte, schauen mich fragend und leicht ängstlich an.
„Ist alles in Ordnung?“ Nickend ziehe ich ihn zu einer Bank.
„Es geht um uns. Ich hab in den letzten Tagen, oder besser gesagt, in den letzten Nächten viel darüber nachgedacht und ich habe eine Entscheidung getroffen.“
Sein kompletter Körper versteift sich plötzlich, sein Atem geht schneller und ich sehe, wie er seine Hände an seiner Hose abreibt – er beginnt zu schwitzen.
„Mach Dir keine Sorgen, Christopher, entspann Dich. Ich will mit Dir zurück nach Toronto fliegen – ich meine, ich will mit Dir… nach Hause fliegen.“
„Ist das Dein Ernst?“
„Ich war mir noch nie einer Sache so sicher. Und ich hab auch über Jacob nachgedacht.“
Er will mir ins Wort fallen. „Da fällt uns…“
„Lass mich bitte ausreden. Er ist Dein Bruder, Christopher, und ich würde mir – wie ich es schon einmal gesagt habe – nie verzeihen, wenn Ihr Euch wegen mir in die Haare bekommt. Ich will versuchen, ihm eine zweite Chance zu geben. Naja, eigentlich wohl eher eine dritte. Ich weiß, dass ich dazu jetzt noch nicht so wirklich fähig bin. Irgendwie hab ich immer noch… Ich weiß nicht…“
Christopher nimmt mich in den Arm. „Du hast Angst vor ihm, oder?“
„Eher Respekt, da ich nicht weiß, was passieren könnte, sobald wir mal allein im Raum sind. Aber ich will es versuchen, denn… Ich will bei Dir sein, bei Dir und Sarah. Ich hab Euch beide so unendlich lieb und ich will Euch nie wieder aus meinem Leben gehen lassen. Und dazu muss eben auch ich Opfer bringen, ob es mir gefällt oder nicht.“
Er schaut mich an und schüttelt den Kopf. „Nicky, ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Du machst mich zum glücklichsten Menschen der Welt mit diesen Worten. Und ich verspreche Dir, dass ich Dich nie wieder mit Jacob allein lassen werde, so lange Du Dich in seiner Gegenwart unwohl fühlst.“

Wir schauen noch eine Weile Sarah zu, bevor wir wieder zurück zum Hotel fahren. Dort angekommen, buchen wir unsere Rückflüge um, so dass wir gemeinsam fahren können. Schon am nächsten Tag wollen wir zurück nach Toronto. Den letzten Abend verbringen wir bei einem schönen Dinner und anschließend machen wir es uns zu dritt auf Sarah’s und Christopher’s Bett vor dem Fernseher gemütlich. Die Kleine liegt zwischen uns, den Kopf auf seinen Arm gelegt. Irgendwann höre ich den gleichmäßigen Atem und stelle fest, dass beide schlafen. Ich beobachte sie eine Weile und mein Herz wird schwach dabei. Das, was ich mir immer so sehnlichst gewünscht habe, liegt hier direkt vor mir. Ein Mann, der mich liebt und ein Kind. Ein Kind – mit einem Mal wird mir bewusst, dass zu Christopher auch Sarah gehört und ich… Meine Augen füllen sich mit Tränen. Wenn es mit uns beiden klappt, dann habe ich eine Tochter, dann wäre meine Welt komplett!

Ich stehe vorsichtig auf, ziehe den beiden vorsichtig die Decke über die Körper und schalte den Fernseher aus. Als ich mich ein letztes Mal umdrehe, sehe ich, dass Christopher die Augen geöffnet hat.
„Sorry, ich wollte Dich nicht wecken.“ flüstere ich ihm entgegen.
„Schon okay“, formt er mit seinen Lippen. Ich zwinkere ihm zu und gehe dann aus der Tür.

Nachdem wir uns am nächsten Morgen bei einem ausgiebigen Frühstück gestärkt haben, packen wir unsere Koffer zusammen und machen uns gegen halb 12 Uhr auf den Weg zum Flughafen. Dort angekommen erledigt Christopher den Check-In für uns drei und auf einmal überkommt mich ein wunderschönes Gefühl – so macht man das als Familie. In diesem Moment habe ich absolut keine Angst mehr nach Toronto zu fliegen. Letzte Nacht hatte ich plötzlich ziemliches Muffensausen deswegen, aber jetzt… Nichts mehr – einfach nur noch Freude. Ich will diese Familie, ich möchte ein Teil davon sein und ich werde alles dafür tun, zur Not auch Jacob gegenüber treten. Christopher reißt mich aus meinen Gedanken.
„Können wir?“ und hält mir seine Hand entgegen. An der anderen hat er bereits Sarah. „Ich will doch nicht, dass ich eine meiner Mädels verliere.“
Wir beide lächeln uns an und nachdem wir durch die Kontrollen sind, schlendern wir die letzte Stunde vor dem Abflug durch die Geschäfte. 


*****

Endlich setzen wir zum Landeanflug an. Christopher ruft uns ein Taxi und wir fahren zuerst zu mir.
„Nicky, wie soll es jetzt weitergehen?“
Ich schlucke. „Halte mir Jacob vom Hals. Aber Du musst mit ihm das Gespräch suchen. Bitte versprich mir das. Schon allein Sarah wegen.“
Er nickt. „Ich weiß aber nicht, ob ich mich beherrschen kann. Ich meine, seit dem Zwischenfall haben wir uns nicht mehr gesehen, haben nicht miteinander gesprochen. Ich war einfach zu wütend.“
„Genau deshalb müsst Ihr zwei Euch aussprechen. Was danach geschieht, werden wir sehen.“
Sarah sieht mich mit müden Augen an, als wir bei mir halten. „Kommst Du nicht mit zu uns?“ Wie gern würde ich das, Schatz, sage ich in Gedanken vor mich hin.
„Nein, heute nicht. Ich möchte ein wenig schlafen und das geht am besten im eigenen Bett. Aber wir sehen uns ganz bald wieder, ok?“
Mit einem Kuss auf die Stirn verabschiede ich mich von ihr. Christopher steigt aus und hilft mir mit dem Koffer.
„Sehen wir uns wirklich ganz bald wieder?“
Mit einer Hand an seiner Wange lächele ich ihn an. „Dass ich nicht zu Dir kommen kann, heißt ja nicht, dass Du nicht zu mir kommen kannst.“
„Das wollte ich hören“, grinst er schelmisch und gibt mir einen Kuss. „Dann bis… ganz bald!“

Nach dem Auspacken falle ich todmüde auf’s Bett. Wieso eigentlich, frage ich mich. Ich bin doch noch keine 80 und so viel Aufregendes haben wir jetzt auch nicht gemacht. Oder liegt es einfach daran, dass mein Kopf soviel zu tun hatte? Während ich noch darüber nachdenke, schlafe ich ein.

Ich werde von meinem Handy geweckt.
„Guten Morgen, Nicky! Na, noch in New Orleans oder schon wieder in Toronto?“ Marcus ist am Telefon und neckt mich.
„Wenn ich Dich in die Finger kriege!“ witzele ich zurück. „Wie kannst Du mir nur so in den Rücken fallen und einfach so meine Hoteladresse rausrücken!“
Doch lange halte ich den ernsten Ton nicht durch. Ich muss herzlich lachen und auch Marcus kann sich nicht beherrschen. Nachdem wir uns beruhigt haben, kommt er auf den Punkt.
„Deiner Laune entnehme ich, dass alles wieder in Ordnung ist zwischen Euch beiden?“
„Ja, und ich glaube, dank Dir hätte es nicht so schnell geklappt – wenn überhaupt.“
„Gern geschehen, Schatz! Du weißt doch – für Dich immer! Und wo seid Ihr jetzt?“
Ich erzähle ihm von den letzten paar Tagen in New Orleans und dass wir gestern zurückgeflogen sind. Dann kommt er auf den Punkt, der ihn wohl am meisten interessiert.
„Und… Wie soll’s jetzt weitergehen? Ich meine, Du und Christopher und… Jacob?“
Ich erzähle ihm von dem Gespräch, welches ich mit Christopher im Hotelzimmer geführt habe. „Ich will nicht, dass wegen mir diese Beziehung auseinander geht. Ich würde mir das nie verzeihen. Natürlich hat Jacob totalen Mist gebaut und ich weiß nicht, wie es zwischen ihm und mir weitergehen soll, aber Christopher muss versuchen, irgend wie mit ihm ins Reine zu kommen.“
Ich kann regelrecht hören, wie Marcus am anderen Ende grübelt. „Kannst Du Dir denn vorstellen, mit Jacob auch ein klärendes Gespräch zu führen?“
Darüber hatte ich noch nie nachgedacht, fällt mir jetzt auf. „Hmm, gute Frage. Um ehrlich zu sein, hatte ich diese Option noch gar nicht in Betracht gezogen. Einfach aus dem einfachen Grund weil ich nicht in seiner Nähe sein wollte.“
„Naja“, erwidert er. „Du musst ja nicht mit ihm allein reden. Vielleicht könnt Ihr Euch irgendwo anders treffen und Christopher kommt als… sagen wir… Aufpasser mit.“
Klingt plausibel, sagt mir mein Kopf, aber mein Bauch ist da anderer Meinung. „Mal sehen. Zuerst sollen sich mal die Brüder allein aussprechen.“
„Es ist Deine Entscheidung, Nicky. Was Du auch tust, Du wirst das richtige mache – das weiß ich! Also, wir sehen uns dann in einer Woche. Ich melde mich davor nochmal!“
„Alles klar, Mac, und grüß mir Deine Mädels!“

Den Rest des Tages genieße ich zu Hause. Endlich mal Couch Potatoe spielen. Seitdem ich seit einer gefühlten Ewigkeit nach Toronto gekommen bin, um ein neues Leben zu beginnen und meine Vergangenheit zu vergessen, war ich noch nicht einmal dazu gekommen. Ich bestelle mir eine Pizza zum Lunch, die so riesig ist, dass sie auch locker gleich noch für’s Abendessen reicht. Zwischendurch kümmere ich mich um die Wäsche – das nächste Mal lass ich mir von Nina die amerikanischen Maschinen erklären, mache ich mir eine mentale Notiz – und werfe mich dann mit einer DVD vor den Fernseher.

Als es gegen 19 Uhr klingelt, bekomm ich plötzlich einen riesigen Schreck. Die Bilder von damals, als Jacob vor der Tür stand, sind wieder mehr als präsent. Ich überlege, mich gar nicht zu regen, als parallel eine SMS mein Handy zum vibrieren bringt.
„Keine Angst, Nicky. Ich steh nur vor der Tür! Chris xxx.“
Mit einem Satz bin ich an der Tür und reiße sie auf.
„Christopher, woher wusstest Du, dass ich noch am überlegen bin.“
Er nimmt mich in den Arm und schließt mit seinem Fuß die Tür. „In dem Moment, als ich geklingelt habe, kam mir Dein Brief in den Sinn und halt auch diese gewisse Stelle. Naja, ich dachte mir einfach, eine SMS kann nicht schaden.“
Ich küsse ihn zärtlich auf den Mund, lasse dann aber von ihm ab. Wir schauen uns in die Augen, Christopher umfasst meine Taille und für einen Moment steht die Welt still. In diesem tiefen Braun ertrinke ich fast und meine Beine lassen mich beinahe im Stich.

Von einer Sekunde auf die andere sind wir beide wie ausgewechselt. Ich packe ihn mit beiden Händen am Nacken und ziehe ihn zu mir. Ich kann nicht genug von seinen vollen Lippen bekommen. Christopher scheint es nicht anders zu gehen. Er versucht vorsichtig, mich in Richtung Wohnzimmer zu bugsieren, aber als ich zum dritten Mal gegen irgend ein Möbelstück knalle, hebt er mich kurzerhand hoch. Ich schlinge meine Beine um seine Hüfte und er trägt mich zur Couch. Während er mich vorsichtig auf das Sofa gleiten lässt, halte ich mich an seinem Shirt fest, so dass er gezwungen ist, vor mir auf die Knie zu gehen. Ich lasse ihm keine Gelegenheit, auch nur ein einziges Wort zu sagen. In Windeseile habe ich seinen Oberkörper von diesem lästigen Stoff befreit und mein Puls schießt augenblicklich in die Höhe. Das Sixpack und seine muskulösen Oberarme nehmen mir den Atem. Für eine Sekunde muss ich mich sammeln, was er sofort ausnutzt. Christopher stützt seine Arme links und rechts von mir ab und drückt mich während eines Kusses sanft in die Rückenlehne. Dann wandert seine Zunge langsam zu meinem Hals und weiter Richtung Dekolté. Mein Körper beginnt zu glühen. Er hält kurz inne, um mir mein Hoodie auszuziehen. Ich habe es noch halb über dem Kopf, als ich seine Lippen auf meinen Brüsten spüre. Ich kralle mich in seine Haare und presse ihn an mich. Christopher’s Hände wandern an meinen Rücken und ich mache ein Hohlkreuz, was ihm ermöglicht, etwas leichter – und vor allem schneller – meinen BH zu öffnen. Ich will ihm dabei helfen, aber er hält meine Hände fest. Nicht fest, wie es sein Bruder zu tun pflegte, nein, ganz sanft, aber trotzdem bestimmt. Er küsste wieder meinen Hals und zieht dann den Träger des BHs mit seinen Zähnen an meinem Arm nach unten. Erst links, dann rechts und ich bebe. Wie soll ich dieses Vorspiel nur aushalten, wenn ich mich jetzt schon kaum noch zusammenreißen kann?

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